Liebe Geschwister,
„Angsthase, Pfeffernase, morgen kommt der Osterhase.“ Kennst du diesen Kinderspruch? Ich kann mich nicht genau erinnern, aber als Kind habe ich ihn bestimmt schon gehört. Wenn ich mich nicht getraut habe auf einen Baum zu klettern und bestimmt habe ich ihn auch zu anderen Kindern gesagt. Heutzutage muss ich immer wieder an ihn denken. Wenn ich über hohe Brücken gehe oder fahre, auf einen Turm gehe oder an einem Abgrund stehe. Dann ist sie da, meine Höhenangst. Oder wenn ich mit meinem Rennrad bergab fahre. Die Bremse ist immer leicht angezogen, um nicht zu schnell zu werden. Dann ist sie da, die Angst, die Kontrolle über das Fahrrad zu verlieren.
Ich könnte jetzt noch viel mehr dazu schreiben, ich gebe zu, ein ausgeprägter Angsthase zu sein. Ich habe Angst um meine Familie, ich habe auch manchmal Angst vor Menschen und vor Menschen zu stehen. Ich habe auch mitunter Angst vor der Zukunft. Der Angsthase hat so gesehen nicht viel mit Ostern gemeinsam, außer dass es sich schön reimt.
Bei Ostern geht es um Freude und den Sieg über den Tod. Ostern ist aber nicht nur der Moment, als der Stein weggerollt und das Grab leer ist. Ostern ist die Vorgeschichte und wie es danach weitergeht. Und das ist eine Geschichte, die auch viel mit Angst zu tun hat. Petrus und die anderen Jünger werden bei der Festnahme von Jesus zu Angsthasen und laufen weg. Ich kann sie gut verstehen, ich wäre mitgelaufen.
Selbst Jesus hatte Angst: „Todesangst überfiel ihn,und er betete noch angespannter. Dabei tropfte sein Schweiß wie Blut auf den Boden.“ (Lk 22,44)
Das sind die Geschichten, wo ich merke, dass die Bibel keine Propaganda ist. Die Momente der Schwäche werden nicht ausgeblendet. Die Menschen der Bibel, selbst Gottes Sohn, erleben Angst. Für mich bedeutet das, dass ich nicht immer stark sein muss. Was wäre das auch für ein Glaube, bei dem man das immer müsste? Immer stark sein in Krankheit, Schicksalsschlägen und Herausforderungen.
Die Bibel berichtet deshalb auch immer wieder davon, dass Menschen zu Angsthasen werden, bis zur Passionsgeschichte, weil das unsere Wirklichkeit ist. Entscheidend ist aber, wie mit der Nagst umgegangen wird. Jesus betet zu Gott. Er schreit, er weint, er sagt seinem Vater hemmungslos, was er fühlt. So kann auch ich mit meiner Angst umgehen, wenn ich mir Sorgen um meine Familie mache oder über die Zukunft. Ich finde eine solche Ehrlichkeit in der Angst mutig. Angst und Mut sind für mich ohnehin keine Gegensätze, die einander ausschließen. Mut bedeutet für mich, die Angst auszuhalten und mit Gottes Kraft hoffnungsvoll weiterzugehen. So ging Jesus seinen Weg bis ans Kreuz und so erlebten es auch die verängstigten Jünger, als sie nach den Ereignissen vom Karfreitag und Ostern neue Schritte wagten. Aus Angsthasen wurden Osterhasen: Menschen, die trotz Ängsten durch Gottes Kraft und Zuspruch ihren Weg hoffnungsvoll gegangen sind.
D. Behrens
