Liebe Geschwister,
es ist Montagmorgen und ich setze bei einem Becher Kaffee vor meiner Zeitung. Eigentlich steht nichts Neues in der Zeitung. Die neusten Berichte über die Situation in der Ukraine, der Wahlkampf in Bayer und die Ergebnisse der Bundesliga vom Wochenende. Dann entdecke ich aber eine Meldung, die meine Neugierde weckt: „Schaf greift älteres Ehepaar an.“ Andere Zeitungen schrieben vom „Aggro-Schaf“ oder „Schaf dreht durch“. Nicht weit von hier, bei Schladen, ging ein älteres Ehepaar am Samstagnachmittag spazieren. Plötzlich werden sie auf einem Feldweg von einem Schaf angegriffen. Eigentlich sind Schafe sehr soziale Wesen. Sei bauen Freundschaften auf, sie empfinden Trauer, sie sind empfindsam und kämpfen nur sehr selten untereinander. Dieses Schaf war anders. Als die Polizei eintraf, war der Mann durch das Schaf leicht verletzt. Als die Polizei das Ehepaar im Streifenwagen in Sicherheit bringen wollte, wurde auch noch der Streifenwagen angegriffen und leicht verbeult. Das Menschen von Tieren angegriffen werden, passiert immer wieder mal und ist eigentlich keine Meldung wert. Als ich als Jugendliche im Dorf Zeitungen austrug, wurde ich regelmäßig von Hunden attackiert. Zum Glück war ich (meistens) schneller als der Hund. Aber eine Schafattacke? Weil man Schafen ein solches Verhalten nicht zutraut, war es dann doch eine Meldung wert. Natürlich musste ich als Pastor gleich an die Bilder aus der Bibel denken. Gott stellt sich als Hirte vor und Israel als Herde. Jesus bezeichnet sich auch als der gute Hirte und gebraucht diese Bilder der Herde für das Leben in der Gemeinschaft mit Gott. Ich finde, das passt, das ist ein passendes Bild. Diese obengenannten Eigenschaften von Schafen erlebe ich auch in den Gemeinden, die ich kennenlernen konnte. Es wird freundlich miteinander umgegangen, es gibt tiefe und sehr persönliche Beziehungen untereinander und man nimmt Anteil am Ergehen der anderen. Und das Wichtigste: In der Regel ist es friedlich. Da merke ich, dass der Glaube ein gutes Miteinander bewirkt. Bei jeder Regel gibt es aber auch immer wieder Ausnahmen. Mitunter merke ich das bei mir selbst, dass ich kurz davor stehe, zu einem Aggro-Schaf zu werden. Manchmal aufgrund von Kleinigkeiten, weil ich von etwas genervt bin. Manchmal, weil ich Lieblosigkeit erlebe. Manchmal, weil ich das Gefühl habe, dass die restliche Herde nicht dem Oberhirten Jesus folgt. Da merke ich, ich bin nicht emotionslos. Meistens kann ich mich noch selber einfangen, bevor ich zum Aggro-Schaf werde, aber manchmal gelingt das auch nicht, und es kommt zu Worten oder einem Verhalten, das andere in ihrem Inneren verletzt. Ich bin dann dankbar, dass ich Schaf bei einem Hirten bin, der vergibt, umgeben von Schafen die auch vergeben wollen. Ich bin dann dankbar dafür, dass in der Regel die anderen Schafe friedlich bleiben. Diese Erfahrung hilft mir, wenn ich erlebe ,das ein anderer Mensch zum Aggro-Schaf wird. Wenn ich selber vielleicht Angriffen ausgesetzt bin. Dann will ich versuchen, ein friedliches Schaf zu bleiben. Zugegeben, das ist nicht immer leicht, aber ich habe einen guten Hirten, der mir dabei hilft.
D. Behrens