Fünfzig fahren

Liebe Geschwister,

ich höre manchmal Stimmen. Nein, ich habe keine psychische Erkrankung, zu mindestens weiß ich von keiner. Die Stimmen, die ich höre, kommen von hinten, also von den Kindern hinten im Auto. Eltern kennen das. „Wann sind wir endlich da?“  und „Mir ist langweilig.“ sind typische Sätze. Neuerdings bekomme ich aber auch andere Sätze von hinten zu hören: „Fünfzig fahren.“ „Dreißig-Zone.“ „Siebzig.“ Mein Sohn achtet neuerdings auf die Verkehrsschilder und sagt mir immer ganz genau, was ich nicht darf. So weiß ich immer ganz genau, dass ich nicht schneller als dreißig, fünfzig oder siebzig fahren darf. Ich muss zugeben, dass das gar nicht so schlecht ist. Das eine oder andere Mal musste ich schon eine Geldbuße bezahlen, weil ich zu schnell gefahren bin. Das letzte Mal sogar auf dem Weg zu einem Predigtdienst in die FeG Göttingen. Ich fahre dann nicht mit Absicht zu schnell, weil ich vielleicht zu spät losgefahren bin. Ich übersehe die Schilder mitunter einfach oder bin in Gedanken versunken. Da ist die Stimme von hinten ganz praktisch: „Du musst fünfzig fahren,“ bewahrt mich vor einer Geldbuße.   

Christen lassen sich auch von einer Stimme leiten. Es ist aber nicht die Stimme eines kleinen Jungen von der Rückbank, sondern die Stimme des Heiligen Geistes. Für Paulus ist diese Führung durch den Heiligen Geist so wesentlich, dass es für ihn ein Erkennungsmerkmal ist.

„Alle, die sich von diesem Geist führen lassen, sind Kinder Gottes.“ Römer 8:14

Erst mal finde ich es schön zu wissen, dass Gott mich nicht alleine lässt auf meinen Lebensweg. Es tut gut zu wissen, dass Gott mit mir ist. Aber ich bin auch ehrlich, mitunter tue ich mich schwer mit der Führung durch den Heiligen Geist. Nicht, weil ich es nicht zulassen möchte, ganz im Gegenteil. Die Herausforderung ist die Führung des Heiligen Geistes zu erkennen. Es wäre einfach, wenn der Heilige Geist wie eine Person auf der Rückbank des Autos sitzen und zu mir sprechen würde, so wie mein Sohn mir die Verkehrsschilder ansagt. Oder wenn der Heilige Geist mir bei einer Predigtvorbereitung über die Schulter schauen und mir Tipps geben würde oder einschreiten, wenn ich einen nicht so hilfreichen Gedanken hätte. So einfach ist das aber nicht. Der Geist Gottes spricht in der Regel nicht mit einer akustisch wahrnehmbaren Stimme zu uns Menschen. Der Geist Gottes spricht durch andere Menschen, durch Bibeltexte, Predigten aber meistens durch unsere Gedanken zu uns. Aber wann ist es wirklich ein Reden Gottes und wann sind es eigene Gedanken, die nichts Göttliches in sich haben? Wann redet Gott durch einen anderen Menschen zu mir und wann ist es nur das Reden eines anderen Menschen? Ich finde das nicht immer leicht. Vor einigen Jahren habe ich mal gelesen, dass die Arbeit des Heiligen Geistes zu über 90% darin besteht, an Dinge zu erinnern, die wir schon wissen. Ich habe mal darauf geachtet und muss zugeben, dass das stimmt. Vieles, was christliches Leben ausmacht, weiß ich schon. Gnade, Vergebung, Nächstenliebe und Barmherzigkeit sind keine Fremdworte für mich. Was ich brauche, ist in den entscheidenden Momenten daran erinnert zu werden. Wenn ich mich zum Beispiel über jemanden aufrege, erinnert mich der Heilige Geist daran, dass ich doch gnädig sein und Vergeben möchte, so wie Gott mir vergeben hat. Wenn jemand dringend Hilfe braucht und ich eigentlich keine Zeit habe, erinnert mich der Heilige Geist daran, praktische Nächstenliebe und Barmherzigkeit zu leben. Natürlich wirkt der Heilige Geist auch noch ganz anders und spektakulärer als das er mich an bestehendes Wissen erinnert. Manchmal zeigt der Heilige Geist eine ganz neue Richtung auf, von der noch niemand was wissen konnte. Auch das habe ich schon erlebt. Aber am meisten wirkt der Heilige Geist wie mein Sohn, der mich erinnert, mich an Geschwindigkeitsbegrenzungen zu halten. Ich kenne ja die Verkehrsregeln, aber manchmal brauche ich einen extra Hinweis. Ein Gedanke noch zum Schluss. Manchmal sagt mein Sohn auch: „Siebzig durchgestrichen, du darfst gleich hundert fahren.“ Auch das macht der Heilige Geist, er zeigt mir, was ich tun kann. Gott ist ein Gott, der uns Menschen befähigt, begabt und auf weiten Raum stellt.

D. Behrens

GDPR Cookie Consent mit Real Cookie Banner