Liebe Geschwister,
wer Kinder hat, kennt das Phänomen, man sagt etwas mehrmals, aber nichts tut sich. Nach der dritten Aufforderung, die Zähne zu putzen, wird sich langsam in Richtung Badezimmer bewegt. Obwohl schon mehrfach gesagt wurde, dass das Zimmer aufgeräumt werden soll, ist es immer noch ein Schlachtfeld aus Playmobil-Rittern und Lego-Sturmtruppen. Über Händewaschen reden wir erst gar nicht. Wenn man dagegen ganz leise flüstert: „Kinder, ihr dürft jetzt Fernsehen gucken“, sind sie sofort zur Stelle, ganz egal wie weit entfernt sie im Haus waren oder welcher Krach gerade in der Umgebung ist.
Das Stichwort dazu lautet: selektive Wahrnehmung. Wir Menschen sind unterschiedlich aufmerksam und habe eine unterschiedliche Wahrnehmung, je nachdem, was für Bedürfnisse wir haben oder welche Erfahrungen wir gemacht haben. Da sind wir Erwachsenen nicht anders als Kinder. Wer hungrig ist, sieht auf einmal überall Restaurants und Imbissbuden, wer satt ist, fährt daran vorbei, ohne sie besonders wahrzunehmen. Wer einen Brief abschicken möchte und einen Briefkasten sucht, sieht auf einmal Briefkästen, die er noch nie zuvor wahrgenommen hat. Mitunter ist dieses psychologische Phänomen von Vorteil, mitunter aber auch nicht.
Wer im Leben viele schlechte Erfahrungen gemacht und sich eine negative Weltsicht angeeignet hat, sieht auch mehr Schlechtes als jemand, der eine positivere Einstellung zum Leben hat. Wir eine negative Sichtweise auf einen Menschen hat entdeckt auch mehr Negatives als Positives. Wir sind leider nicht immer so objektiv, wie wir uns das denken.
Mir kommen diese Gedanken, weil wir am Sonntag Pfingsten feiern. Wir feiern, dass Gott im Menschen wohnen möchte. Der Geist Gottes kann viel im Leben eines Menschen bewirken, unter anderem ein neues Denken. Paulus schreibt im Epheserbrief 4,23: „Lasst einen neuen Geist euer Denken bestimmen.“ Ich glaube, das ist eine oft unterschätzte Eigenschaft des Heiligen Geistes. Er gibt uns den Impuls, auch mal außerhalb unserer gewohnten Bahnen zu denken, die Welt und unsere Mitmenschen auch mal anders wahrzunehmen.
Der Geist Gottes hilft uns, unsere selektive Wahrnehmung zu durchbrechen. Wie kann das aussehen? Vielleicht hat ein Mensch viel mehr positive Eigenschaften, als ich im bisher zugetraut hätte. Vielleicht bin ich in manchen Lebensbereichen viel talentierter und kann mehr erreichen, als ich bisher dachte. Vielleicht ist ein Streit doch nicht so festgefahren und es gibt doch noch die Möglichkeit zur Versöhnung. Vielleicht ist der hoffnungslose Fall doch nicht so hoffnungslos. Lass Gottes Geist dein Denken bestimmen. Und wenn da ein neuer, überraschender Gedanke in deinem Kopf ist, dann lass dich mal darauf ein, er könnte von Gottes Geist kommen.
D. Behrens