Ich vertraue ihr …

Liebe Geschwister,

als Kind und dann später als Jugendlicher fand ich es immer toll, wenn ich auch mal alleine zu Hause war. Da bedeutete für mich, dass ich so viel Fernsehen gucken und so laut Musik hören konnte, wie ich wollte. Natürlich passierte in diesen Zeiten noch viel mehr. Es passierten Erlebnisse, die meine Eltern nicht wissen durften und erst später ans Licht kamen, aber das sind andere Geschichten. Mittlerweile sind meine Kinder auch in einem Alter, in dem ich sie schon einmal für eine kurze Zeit alleine zu Hause lassen kann. Als ich sie das erste Mal alleine zu Hause ließ, um ein paar schnelle Einkäufe zu erledigen, habe ich meine Handynummer auf einen Zettel geschrieben, für Notfälle. Im Geschäft klingelte dann mein Handy und ich nahm ganz aufgeregt den Anruf entgegen. Ich machte mir natürlich Sorgen, dass etwas passiert ist. Es war aber alles in Ordnung. „Papa, kannst du mir meine Lieblingskekse mitbringen?“, fragte mich meine Tochter. Diese Woche wollte ich wieder einkaufen und fragte meine Kinder, ob sie mitwollen. Mein Sohn sagte sofort: „Nein, ich möchte hierbleiben.“ Meine Tochter dagegen wollte mit. Mein Sohn überlegte kurz, und dann sagte er, dass er doch mitwollte. Als er dann mit mir alleine im Zimmer war, sagte er leise zu mir: „Wenn Maritt da ist, habe ich weniger Angst.“ Dann machte er eine kurze Pause und flüsterte mir ins Ohr: „Ich vertraue ihr.“  So ganz alleine zu Hause bleiben, das wollte er nicht. Ich bin immer wieder erstaunt, dass die beiden so ein inniges Verhältnis haben. Für meinen Sohn ist die große Schwester jemand, die ihm Sicherheit gibt und die Angst nimmt. Auch wenn die beiden sich richtig intensiv streiten können, vertraut er ihr und weiß, dass sie für ihn da ist.

Gott gebraucht auch Bezeichnungen aus dem Familienleben, um sich selbst zu beschreiben. Er ist nicht nur König, Fels oder Burg. Er ist auch der Vater, er ist wie eine Mutter und Jesus, der Sohn bezeichnet seine Nachfolger als seine Brüder, Schwestern und Mütter. (Mt 12,50).  Der Gedanke dahinter ist klar: Ich stehe euch nahe, ihr kennt mich oder könnt mich kennenlernen, ihr könnt mir vertrauen. Gott ist nicht distanziert. Wer aus einer intakten Familie kommt, kann dieses Bild gut nachvollziehen. Ich denke jetzt noch mal an meinen kleinen Sohn, der sich auch immer wieder mit seiner großen Schwester streitet, nicht alles versteht und schon gar nicht mit allem übereinstimmt, was seine Schwester macht. Aber trotzdem vertraut er ihr. Mir ist das schon vor Jahren wichtig geworden, dass Vertrauen nicht erst dann entstehen kann, wenn ich bei einem Menschen alles verstehe und mit allem übereinstimme. Vertrauen entsteht, wenn jemand für mich da ist, wenn es drauf ankommt. Vertrauen entsteht, wenn die große Schwester ihrem kleinen Bruder die Angst nimmt. Ich habe das für mich auch auf Gott übertragen. Ich gebe zu, ich verstehe nicht alles im Hinblick auf Gott. Ich habe noch immer viele Fragen und ich gehe mal davon aus, dass ich nicht auf alle in diesem Leben eine Antwort bekommen werde. Aber trotzdem kann ich diesem Gott vertrauen. Weil das, was mir klar ist, mehr wiegt als das, was unklar ist. Und weil ich weiß, dass er für mich da ist. Das ist er immer, aber ganz besonders, wenn es darauf ankommt.

D. Behrens

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