Plattfuß in Sebexen

Liebe Geschwister,

Dienstagmorgen. Meine Arbeitswoche beginnt. Bevor ich ins Büro gehe, will ich noch schnell mit dem Auto zum Gemeindehaus fahren, um etwas abzuholen. Ich steige ins Auto und merke nach ein paar Metern, dass da etwas nicht stimmt. Fahrverhalten und Fahrgeräusche lassen mich vermuten, dass ein Reifen platt ist. Ich halte sofort an und sehe sofort, dass hinten links die komplette Luft raus ist. Vorsichtig setze ich das Auto ein paar Meter zurück, bis es vor dem Carport steht. Ich denke mir, dass ich ja vielleicht Glück habe. Vielleicht hat der Reifen nur so die Luft verloren. Also versuche ich ihn aufzupumpen. Während ich am Pumpen bin sehe ich aber das Problem. Ein vier Zentimeter langer Nagel schaut aus der Seite des Reifens heraus, als wolle er mir sagen: „Versuchs erst gar nicht. Heute habe ich gewonnen.“ Also lasse ich das Pumpen sein und hole den Wagenheber raus. Das Rad ist schnell gewechselt. Ich lege es in den Kofferraum, um es später zur Werkstatt zu bringen. Ich ärgere mich. Warum gibt es immer solche Probleme, wenn ich sie überhaupt nicht gebrauchen kann?  Eigentlich wollte ich schon längst wieder zu Hause sein, im Büro sitzen und produktiv sein. Zwischendrin gehe ich noch kurz in ein Geschäft. Auf einer Zeitschrift steht in großen Buchstaben: „Hast du ein Problem und willst es nicht haben, dann hast du schon zwei. – buddhistische Weisheit.“ Ich denke mir: “Wer hat schon gerne Probleme? Eigentlich doch niemand.“ Ich finde den Satz problematisch. Damit hätte ich dann schon drei Probleme, und ich merke, dass buddhistische Weisheiten nicht so mein Ding sind. Ich fahre zu meiner Autowerkstatt. Als ich das luftleere Rad zeige, sagt die Frau, die meinen Auftrag entgegennimmt: „Kein Problem. Wir rufen sie an, wenn der neue Reifen aufgezogen ist.“   Ich denke mir: „Sie hat recht. Das ist kein wirkliches Problem gewesen.“ Ich bin dankbar für die schnelle Hilfe. Später muss ich an richtige Probleme denken. Paulus zum Beispiel berichtet von einem „Stachel im Fleisch“ (2Kor 12,7). Er beschreibt damit irgendein Leiden, eine Krankheit oder Behinderung, die er nicht näher benennt. Paulus berichtet auch, dass er Gott mehrmals bat ihm diesen „Stachel im Fleisch“ zu nehmen. Aber Gott hat das nicht getan. Ich denke mir, dass das schon eher ein richtiges Problem ist im Gegensatz zu meinem platten Reifen. Verlorene Gesundheit, die sich nicht wiederherstellen lässt. Da könnte man noch einiges hinzufügen, zum Beispiel zerstörte Beziehungen und Freundschaften ohne Ausblick auf Versöhnung. Oder wenn man mit anschauen muss, wie geliebte Menschen ihr Leben zugrunde richten. Das sind wirkliche Probleme. Gott hat Paulus gesundheitliches Problem nicht gelöst, sondern er hat ihm ein Versprechen gemacht:

»Du brauchst nicht mehr als meine Gnade. Denn meine Kraft
kommt gerade in der Schwäche voll zur Geltung.« (2Kor 12,9)

Gott verspricht Paulus seine Gnade und seine Kraft in der Schwachheit. Damit war Paulus ein Beispiel für die Kraft Gottes, die trotz aller Schwäche und ungelöster Probleme zur Geltung kommen kann. Natürlich wünsche ich mir ein Leben mit möglichst wenig Problemen, ohne Krankheit, Leiden und Schwachstellen. Vielleicht geht es dir da ja wie mir und vielleicht klagst du Gott sogar an, weil du mit Problemen, Krankheit, Leiderfahrungen und Schwachheit zu kämpfen hast und Gott noch nichts unternommen hat. Aber Gott ist bei dir und hört dich. Vielleicht möchte Gott gerade diese Schwachheit benutzen, also das, was dir Probleme macht, um dir und anderen seine Macht und Herrlichkeit zu zeigen.

Wenn ich so zurückdenke, haben mich am meisten die Menschen beeindruckt, an denen ich genau das beobachtet habe. Menschen, an denen Gottes Kraft wirksam wurde. Menschen die in ihrer Schwachheit Glaube, in zwischenmenschlichen Problemen Liebe und noch im Sterben Hoffnung hatten. Gott beschenkt die Menschen, die mit leeren Händen vor ihm stehen. 

D. Behrens

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