Wer begehrt Einlass?

Liebe Geschwister,

ich sitze vorm Fernseher und sehe die Bilder der Beisetzung von Queen Elisabeth II. Man kann von der Beisetzung halten, was man will, aber die Bilder sind beeindruckend. Der Trauergottesdienst in Westminster Abbey und die Aussegnung in Windsor Castel, die Überführung des Sarges, begleitet von unzähligen Menschen entlang noch größerer Menschenmassen. Alles ist durchgeplant und durchdacht. Die Beisetzung der Queen und die noch ausstehende Krönung von King Charles III. sollen dem britischen Steuerzahler Schätzungen zufolge ca. 6,85 Milliarden Euro kosten. Diese unvorstellbar hohe Summe kann natürlich darüber hinwegtäuschen, dass am Ende ein ganz normaler Mensch gestorben ist. Queen Elisabeth II. war nicht nur Königin, sondern auch Mutter, Großmutter, Urgroßmutter, Tante. Sie war bestimmt ein Mensch mit vielen Stärken, aber bestimmt auch der einen oder anderen Schwäche.

Ich musste bei den Bildern im Fernsehen an das Begräbnis von Otto von Habsburg denken. Otto von Habsburg war der Sohn des letzten Kaisers von Osterreich und König von Ungarn. Als Otto von Habsburg 2011 starb, wurde sein Sarg zur sogenannten Kaisergruft in der Wiener Kapuzierkirche gebracht. Vor der Gruft klopfte ein Zeremonienmeister dreimal an die Tür. Eine Stimme fragte von innen: „Wer begehrt Einlass?“ Der Zeremonienmeister fing an alle Titel von Otto von Habsburg aufzuzählen: “Otto von Österreich, einst Kronprinz von Österreich-Ungarn, königlicher Prinz von Ungarn und Böhmen, von Dalmatien, Kroatien, Slawonien, Galizien, Lodomerien und Illyrien, Großherzog von Toskana und Krakau, Herzog von Lothringen, von Salzburg, Steyer, Kärnten, Krain und der Bukowina, Großfürst von Siebenbürgen, Markgraf von Mähren, Herzog von Ober- und Niederschlesien, von Modena, Parma, Piacenza …“ Wir kürzen die Aufzählung mal ab, sie würde noch weiter gehen. Nachdem alle Titel aufgezählt waren, sagte die Stimme aus dem Inneren der Gruft: “Wir kennen ihn nicht!“ Noch einmal klopfte der Zeremonienmeister von außen an die Tür der Gruft. Wieder fragte eine Stimme aus dem Inneren: „Wer begehrt Einlass?“ Diesmal kam als Antwort eine wesentlich kürzere Aufzählung mit weiteren Titeln: „Dr. Otto von Habsburg, Präsident und Ehrenpräsident der Paneuropa-Union, Mitglied und Alterspräsident des Europäischen Parlamentes, Ehrendoktor zahlreicher Universitäten und Ehrenbürger vieler Gemeinden in Mitteleuropa …“ Und wieder sagte die Stimme aus der Gruft: „Wir kennen ihn nicht!“ Ein drittes Mal klopfte der Zeremonienmeister an die Tür der Gruft und wieder kam die Frage: „Wer begehrt Einlass?“ Diesmal antwortete der Zeremonienmeister: „Otto, ein sterblicher, sündiger Mensch,“ und die Stimme aus dem inneren der Gruft antwortet: „So komme er herein.“ 

Dieses Ritual bringt schön zum Ausdruck, dass nicht Titel oder Leistungen vor Gott wichtig sind, sondern ob ein Mensch sich der Gnade Gottes anvertraut, „Denn Gott richtet ohne Ansehen der Person“ (Rö 2,11) Das bedeutet, dass Gott keinen Menschen bevorzugt, weil er mit einem besonderen Titel geboren wurde oder besondere Leistungen erbracht. Und ebenso wird niemand benachteiligt, der es im Leben nicht so weit gebracht hat.

D. Behrens

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